Tochter Anne hat einen runden Geburtstag gefeiert. Nein, das ist kein biologisches Wunder, sie ist nicht 100 geworden. Aber die Hälfte davon hat sie erreicht, und gefeiert hat sie das zusammen mit ihrer Freundin Sabine, die ebenso alt wurde.
Das Doppelfest fand statt am südlichen Ende Europas, ganz unten in Apulien, an Italiens Absatz. Mit dabei waren die jeweiligen Familien und viele Freunde, über zwanzig waren es alle zusammen, dazu etwa zehn Kinder jeden Alters. Angereist sind sie per Flugzeug, Bahn oder Auto – Anne sogar mit dem Motorrad –, aus allen Teilen Deutschlands und aus Italien.
Wir selbst sind eine Woche vor den Feierlichkeiten losgefahren, gemütlich mit unserem Camper, von Station zu Station Richtung Süden.
In den Bergen über Florenz
Zunächst besuchten wir Christiane, eine liebe Freundin, die mit ihrem italienischen Mann in den Bergen nahe Florenz wohnt. Ein winziges Sträßchen führt dorthin, unser Bulli hat kaum durch gepasst, jede Kurve war ein Abenteuer. Hoch oben endet der steile Weg an einem einsamen Haus mitten in der Natur: Ringsum nichts als Wiesen und Olivenhaine, der Blick öffnet sich weit über wellige Hügel, die sich in der blauen Ferne verlieren. Unterhalb des Hauses steht dichter Wald, aus dem lautes Röhren und Grunzen zu hören war (O-Ton Christiane: „Keine Angst, das sind Hirsche und Wildschweine. Die Wildschweine sind ziemlich neugierig. Sie schnuffeln nachts ein bisschen herum und ziehen dann weiter, wenn es nichts zu holen gibt.“) Hm, aha … und wenn ich nachts mal rausmuss … ? Da Christiane und Fabio drei Katzen haben (und ich allergisch auf Katzenhaare reagiere), wollten wir nämlich im Auto schlafen, und das ließ sich auch ohne die Aussicht auf nächtlichen Wildschweinbesuch schon recht abenteuerlich an.
Wir versuchten also, den Camper mit Hilfe von Brettern und dicken Steinen auf dem steilen Gelände in eine halbwegs stabile Waagerechte zu bringen.
Alles ging gut
Die Nacht war unruhig – zumindest für mich: ich hatte Panikattacken bei dem Gedanken, dass im Fall eines Asthmaanfalls weit und breit kein Arzt zu finden sein würde. Auch die Sorge, dass unser Autostabilierungsversuch nicht ausreichen und wir nachts ungebremst in die Tiefe brettern könnten, war nicht gerade schlaffördernd.
Zum Glück schienen wenigstens die grunzenden Wildschweine kein größeres Interesse an uns zu haben …
All meine Sorgen erwiesen sich indes als unbegründet, und nach einem gemütlichen Frühstück haben wir auch die Rückfahrt den steilen Hang hinunter gemeistert.
Die nächste Station machten wir bei Freunden, die vor vielen Jahren aus Zürich in die Maremma kamen und seitdem dort einen Bauernhof betreiben. Als unsere Kinder noch klein waren, haben wir dort einige Sommerferien verbracht, und es war schön, sich gemeinsam an diese Zeiten zu erinnern.
Umgeben von Kunstwerken
Der traumhafte Tarotgarten ›› , den die französisch-amerikanische Künstlerin Niki de Saint Phalle ›› zusammen mit ihrem Partner Jean Tinguely ›› in der Nähe von Capalbio geschaffen hat, hat uns wieder einmal aufs Neue bezaubert. Stundenlang kann man zwischen des fantastischen Gestalten herumwandern, immer wieder gibt es neue Details zu entdecken … Schon allein dieses Gesamtkunstwerk inmitten wilder Natur ist eine Reise in die südliche Toskana wert!
So eingestimmt machten wir uns auf zu unserer nächsten Station: am Fuß der Sabinerberge, nördlich von Rom, lebt das Künstlerpaar Oriana und Matthias. Wir kennen Matthias aus der Zeit, als ich meine Rom-Führer geschrieben habe, und auch ihn und seine Frau hatten wir schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Wir wurden sehr herzlich empfangen – es war, als hätten wir uns erst vor kurzem zuletzt gesehen.
Haus und Garten sind voll von Skulpturen der beiden Bildhauer und ihrer Schüler, wir fühlten uns wie in einer großen Kunstausstellung! Oriana und Matthias sprühten vor Ideen und Vorschlägen für gemeinsame Projekte … wir hätten noch Tage dort verbringen können, ohne dass uns der Gesprächsstoff ausgegangen wäre.
Entlang der Amalfiküste im Stau
Doch wir mussten weiter. Eine Nacht verbrachten wir in Sorrento, das in meinem Buchprojekt vorkommt und wo ich ein paar verblasste Erinnerungen auffrischen wollte.
Die folgende Fahrt entlang der Costiera Amalfitana ›› war eine herbe Enttäuschung: in den 80er Jahren bin ich mehrmals die traumhaft schöne Strecke entlang der Steilküste südlich der Sorrentiner Halbinsel gefahren. Die Straße ist eng und kurvenreich, schnell kam man hier nie voran – aber das will man ja auch gar nicht bei dieser herrlichen Landschaft.
Diesmal aber standen wir mehr als wir fuhren. Die ganze Küstenstraße war ein einziger Stau. Busse kamen nicht aneinander vorbei, fast an jeder Kurve kam die Autoschlange zum Stehen, es war alles andere als erbaulich.
Nach stundenlangem Stop and Go waren wir total gestresst und froh, als wir endlich ins Landesinnere ausweichen konnten. Nie wieder! haben wir uns geschworen. Schade eigentlich …
Touristenmassen überall
Matera ››, die aktuelle Kulturhauptstadt Europas, hat uns den Rest gegeben. Es war brütend heiß. Nachdem es bis kurz vorher in Italien wochenlang geregnet hatte und die Leute noch in Winterjacken herumgelaufen waren, war der Sommer von einem Tag zum andern ausgebrochen.
Menschenmassen aus allen Weltgegenden schoben sich schwitzend durch die engen Gassen, an eine genussreiche Besichtigung der berühmten Höhlenwohnungen war nicht zu denken.
So haben wir uns recht bald auf das letzte Wegstück Richtung Apulien gemacht.
Einen kleinen Rundgang durch Alberobello ›› mit seinen igluförmigen Trulli haben wir uns noch gegönnt. Man kommt ja nicht allzu oft ans Südende von Italien, da sollte man die Gelegenheit schon nutzen.
Auch hier mussten wir uns durch Busladungen voll von Touristen kämpfen, die neugierig in jeden Hauseingang spähten. Die armen Menschen, die hier leben! Sie müssen sich wie Tiere im Zoo vorkommen … Manche haben dann auch, trotz der unerträglichen Hitze, die Haustür genervt zugeschlagen.
Endlich Apulien
Wie wunderbar ruhig erschien es uns schließlich in dem kleinen apulischen Städtchen Diso, südlich von Lecce, wo wir uns alle für die Geburtstagsfeierlichkeiten getroffen haben.
Die meisten kamen in den Wohnungen einer schön ausgebauten alten Villa mit Garten und Swimmingpool unter – das war herrlich, vor allem für die Kinder! Anne hatte diese schöne Bleibe aufgetan, sie war ein echter Volltreffer!
Einige wohnten in anderen Wohnungen verteilt im Dorf, aber die Villa war Treffpunkt für gemeinsame Essen und Ausgangspunkt für Ausflüge ans Meer oder zu den umliegenden Sehenswürdigkeiten. Tipps hierfür gab es von einem lieben Freund aus Rom, der die sich in dieser Gegend gut auskennt und der natürlich seine guten Beziehungen spielen ließ …
Das Fest
Solche Beziehungen haben auch die eigentliche Geburtstagsfeier bei Sonnenuntergang an einem herrlichen Sandstrand ermöglicht. Zwischen dem Strandrestaurant und den leise plätschernden Wellen des Mittelmeers waren festlich geschmückte Tische aufgebaut.
Ein köstliches Fischmenü wurde serviert, wir haben gegessen und getrunken bis tief in die sternenklare Nacht hinein. Reden wurden gehalten, es wurde viel gelacht.
Und es wurde gesungen! Wir haben nämlich den beiden Geburtstagskindern ein Ständchen dargebracht: zur Melodie von Udo Jürgens’ Schlager „17 Jahr, Blondes Haar“ haben wir einen den Jubilarinnen auf den Leib gedichteten Text mit dem Refrain „100 Jahr – wunderbar!“ vorgetragen. Das hatten wir heimlich, still und leise in einer der anderen Unterkünfte vorab geprobt.
Ich würde sagen, die Performance war nicht unbedingt bühnenreif – es gab mehr Gekicher als Gesang – aber es hat großen Spaß gemacht und ist von den Adressatinnen voll Rührung aufgenommen worden!
Rückkehr und Weiterreisen
Nach einer fröhlichen Woche mit all den lieben Menschen, die keinen Aufwand gescheut haben, um beim Geburtstagsfest der beiden Freundinnen dabei zu sein, hat sich die Gesellschaft langsam wieder aufgelöst.
Manche mussten nachhause, andere haben noch einen Urlaub angehängt.
Wir sind – diesmal in zwei Etappen – zurück nach Hause gefahren, haben kurz umgepackt und sind dann nach Köln zur Grimme-Online-Preisverleihung ›› weitergereist, um von da über Chartres › zu einem Filmfestival nach La Rochelle an der französischen Atlantikküste zu fahren.
Doch das ist eine andere Geschichte.
Anne schreibt
Was für schöne Erinnerungen an eine wunderbare Zeit mit so vielen tollen Menschen! Vielen Dank dafür, liebe Mami!!! Und Stephan für die Fotos! (Hoffentlich gibt es noch mehr davon.)
Ulrike schreibt
Oh, gefühlt sind es an die Tausende … Es war ziemlich zeitraubend, das alles zu sichten, um das Passende zu finden!
Melanie schreibt
Und plötzlich sind die Erinnerungen wieder ganz präsent und ich sehe die Blüten im Hinterhof, die so kräftig pinkfarben leuchteten, fühle die warme Brise, die über die Wiesen nahe Castro wehte…
Danke für den ausführlichen Bericht und die schönen Bilder!
Ulrike schreibt
Ja, liebe Melanie, es war eine schöne Zeit, die wir in und um Diso erlebt haben! Ich denke auch gern daran zurück …