Vor fünf Jahren hatte ich im März einen Skiunfall. Mein Bein hatte sich im Skischuh verdreht, der linke Knöchel war gebrochen. Operation in der Schweiz. Danach verbrachte ich viele Wochen einbeinig auf Krücken und vor allem im Sessel sitzend.
Schon einige Zeit vorher hatte ich mir diverse Bücher zum Thema Kreatives Schreiben besorgt. Seit Schulzeiten war Schreiben meine Leidenschaft, für Aufsätze bekam ich immer gute Noten, vor allem, wenn sie von vorn bis hinten erfunden waren. Ein richtiges Buch zu schreiben war ein Wunsch, dessen Erfüllung ich immer auf einen Zeitpunkt verschoben hatte, der nie kam: viel Freizeit. Aber auch eine Geschichte, die von mir geschrieben werden wollte, war nicht in Sicht. Als ich so in meinem Sessel saß und in all den Schreib-Ratgebern blätterte, war sie plötzlich da, die Geschichte. Da stand sie fix und fertig vor meinem inneren Auge. Sofort fing ich mit dem Schreiben an, die Sätze flossen wie von allein in die Tasten, ein Kapitel reihte sich an das andere.
Dann kam die Zeit, wo ich die Krücken weglegen konnte und wieder ins Büro humpelte. Und mein Buch blieb liegen, unvollendet, mahnend. Aber der Schreibfluss war unterbrochen. Abends nach einem langen Arbeitstag ging nichts mehr, an den Wochenenden war zu viel Anderes zu erledigen. Dann kam Weihnachten, ein Kurzurlaub in Südtirol. Vor dem Abendessen noch schnell eine Runde Schwimmen im Freiluftpool. Gefrorene Nässe am Boden, ein kleiner Ausrutscher, Sturz und stechender Schmerz im rechten Knöchel. Der Röntgenbefund am nächsten Tag bestätigt, was ich einfach nicht glauben will: Knöchelbruch, diesmal rechts. Zweimal in einem Jahr!
Heimfahrt, wieder OP, wieder Metallteile, Nägel, Krücken, wieder wochenlanges Stillsitzen im Sessel. Aber hurra! auch wieder Zeit und Muße, mich meinem Buch zu widmen. Die Zeit vergeht wie im Flug, der Roman wächst und gedeiht. Zwei Drittel sind geschafft, samt immer und immer wieder Lesen, Korrigieren, Ändern, Zweifeln.
Auch diese Schreibphase geht vorüber, ohne dass das Buch beendet ist. Weitere, kürzere Schreibphasen folgen nach den beiden OPs, bei denen das Metall erst aus dem linken, dann aus dem rechten Knöchel entfernt wurde. Und das Buch ist immer noch nicht fertig. Doch dank meines kürzlichen Eintritts ins Rentnerdasein sehe ich nun die erhoffte Muße auf mich zuzukommen. Vielleicht schaffe ich es nun, dieses Buch endlich fertig zu schreiben? Und dann?
Eigentlich habe ich es nur für mich geschrieben. So wie man Pullover und Jacken strickt, die man dann nie trägt, weil sie einfach zu selbstgemacht aussehen. Trotzdem hat das Stricken Spaß gemacht. Genau so ist es mit dem Buch. Ich glaube nicht, dass ich es jemals irgendjemandem zu lesen geben werde.
Aber vielleicht schreibe ich es einfach erst mal fertig.
[…] seit Wochen, nein, Monaten, sogar Jahren … Immer wieder fasse ich den festen Vorsatz, mein Buchprojekt › endlich abzuschließen, aber ich schaffe es nicht. Warum nur? Wo mir dieses Thema doch so […]