Am 11. Oktober war Vernissage: im Rathaus der Gemeinde eröffneten die „Kunstfreunde Wörthsee“ ihre jährliche Gemeinschaftsausstellung, bei der hiesige und im Landkreis Starnberg ansässige Autodidakten, aber auch solche mit akademischer Ausbildung vertreten sind.
Ich gehöre zur ersten Kategorie – und ich war dabei!
Eine liebe Nachbarin und Freundin – selbst Malerin und langjähriges Mitglied der „Kunstfreunde “– , die von meiner stillen Leidenschaft wusste, hatte mich gefragt, ob ich mit einigen meiner Skulpturen bei der Ausstellung mitmachen wolle.
Noch nie hatte ich Arbeiten öffentlich gezeigt
Zunächst war ich mir unsicher. Immerhin habe ich in den rund achtzehn Jahren, in denen ich mich mit Leidenschaft, wenn auch nur als Freizeitbeschäftigung, mit der Steinbildhauerei › beschäftige, noch nie die Gelegenheit gehabt, meine Skulpturen öffentlich zu zeigen. Würden sie den Anforderungen genügen?
Doch als mir die Ausstellungsleiterin nach einem Blick auf meine Homepage › sagte, dass meine Stücke ihr gefielen, freute ich mich sehr über die Chance, auch mal Rückmeldungen über das Urteil von Familie und Freunden hinaus zu bekommen.
Gerade rechtzeitig kam der neue Werkstattplatz
Ein Problem war, dass ich zu dem Zeitpunkt, als mir die Teilnahme an der Ausstellung angeboten wurde, noch keinen neuen Werkstattplatz hatte – meine Steine und mein gesamtes Arbeitsmaterial waren in der Scheune eines hiesigen Bauern zwischengelagert. Doch der Zufall (oder die Vorsehung?) wollte es, dass ich kurz danach endlich den ersehnten und lang versprochenen Platz in einer Werkstattgemeinschaft im Nachbarort Weßling beziehen konnte.
Super! Schnell waren mit der Hilfe von Mann und Enkel Steine, Werkzeug und Arbeitsböcke hintransportiert.
Die Auswahl zum Motto der Ausstellung „Fundstücke“ passender Skulpturen war erst nicht einfach. Aber dann kam ich zu dem Schluss, dass letztendlich alle meine Arbeiten „Fundstücke“ sind: ich denke mir nie vorher aus, was für eine Skulptur ich machen will. Vielmehr sehe ich mir den rohen Stein an und versuche, nach und nach die in ihm verborgene Form zu finden und herauszuarbeiten.
Die Skulptur „Paar“ als Foto in der SZ
So wurde mir also der Platz für drei Ausstellungsstücke zugewiesen. Die Vernissage war mit rund 90 Gästen gut besucht. Sogar meine liebe Münchner Freundin Pascale Lorenc ›› hat sich durch den Freitagabendstau gekämpft, um dabei zu sein!
Ich war die einzige Bildhauerin unter lauter MalerInnen. Es gab positive Rückmeldungen zu meinen Arbeiten und eine Skulptur wurde sogar mit einem Foto in einem Bericht der Süddeutschen Zeitung geehrt!
Alabaster-Einkauf in der Toskana
Meine Motivation, mich wieder in die Arbeit am Stein zu vertiefen, war groß, als ich von der Ausstellungsmöglichkeit erfuhr und vor allem auch den nötigen Platz dafür zur Verfügung hatte. So hab ich die Gelegenheit genutzt, neue Steine zu besorgen, als wir Anfang Oktober ein paar Tage in der Toskana waren.
In Volterra ››, das schon seit der Zeit der Etrusker ein Zentrum für Alabaster-Abbau und -kunst ist, habe ich einen Großhändler ›› ausfindig gemacht, der ausgesuchte Steine an Künstler und Kunsthandwerker verkauft.
Wir machten also einen Tagesausflug nach Volterra. Der Betrieb liegt in der Zona Industriale von Volterra, einige Kilometer außerhalb am Fuß des schönen alten Bergstädtchens. Paolo Vanzi, der freundliche Besitzer, war extra für uns rausgefahren, weil uns kein anderer Besuchstermin möglich war.
Die Qual der Wahl
Er führte uns zu einer großen Halle, in der sich der unbehauene Alabaster, geordnet nach seinen unterschiedlichen Ausformungen, in riesigen Blöcken und Laiben türmt.
Auch das Terrain vor der Halle ist mit Bergen roher Alabastersteine übersät. Wie sollte ich bei diesem Riesenangebot das für mich Richtige finden?
Hilfe kam von Signor Vanzi: Er kann von der äußeren Beschaffenheit eines Rohsteins auf seine inneren Qualitäten schließen: bietet der Stein interessante Venaturen? Gibt es Risse, die bei der Bearbeitung zum Bruch führen können? Ist mit Einschlüssen zu rechnen, die den an der falschen Stelle zum Bröseln bringen könnten?
Er begutachtete meine Vorauswahl, riet mir ab, wenn er Zweifel hatte, zeigte mir eine bessere Alternative oder nickte zustimmend, wenn ich eine gute Wahl getroffen hatte.
Schließlich hatte ich 160 kg Steine verschiedener Größe und Struktur beisammen. Der größte wog über 50 Kilogramm und Paolo Vanzi bot mir an, den Brocken mit seiner riesigen Steinsäge zu halbieren.
Als wir mit seiner Hilfe die Ausbeute rutschsicher im Auto verstaut hatten, ging unser Bulli ganz schön in die Knie.
Eine bange Frage
Wieder zuhause, hatte ich beim Anblick des Steinhaufens, der sich jetzt in der Werkstatt türmt, einen kurzen Schreckmoment und ich stellte mir die bange Frage: werde ich überhaupt lang genug leben und ausreichend fit sein, um aus all diesen wunderbaren Möglichkeiten noch Skulpturen zu formen? Immerhin sind die Brocken ganz schön schwer, es dauert Wochen – bei fleißiger Arbeit –, um sie zu behauen und die richtige Form herauszufeilen …
Aber was soll’s! Ich freu mich auf diese Tätigkeit und ich mach sie halt, so lange ich kann.
Der Skulpturenweg – noch eine Chance?
Inzwischen ist die Ausstellung zu Ende und ich habe meine Arbeiten wieder abgeholt. Ich habe einiges Lob gehört, auch von Menschen, die selbst Kunst machen. Es war schön, dass ich dabei sein durfte – eine ganz neue Erfahrung.
Und vielleicht ergibt sich ja mal wieder eine Gelegenheit?
Hier hat Johannes, mein Werkstattvermieter und selbst Metall-Künstler, schon eine Idee. Er ist einer der Initiatoren des Wörthseer Skulpturenwegs ››, dessen erstes Teilstück ebenfalls gerade neu eröffnet wurde und der im Lauf der nächsten Monate und Jahre das gesamte Ufer des Sees begleiten soll.
Mal sehen, ob ich das hinkriege
Johannes meint nun, ich solle aus den neuen Steinen Werke arbeiten, die er in den Skulturenweg integrieren möchte. Meinen Einwand, dass Alabaster kein Material ist, das man Wind und Wetter aussetzen kann, lässt er nicht gelten: er hat sich schon Gedanken gemacht, wie er ein Metallgehäuse schmieden wird, in dem die Stücke sicher und geschützt aufgehoben sind.
Mal sehen, ob das klappt. Auf jeden Fall ist dies eine Motivation mehr, mich so schnell wie möglich mit den neu erworbenen Steinen auseinanderzusetzen. Johannes jedenfalls treibt mich zur Eile: schon im Frühjahr nächstes Jahr soll ich vier Kopf-Skulpturen fertig haben. Also ran an die Arbeit!
Elisabeth schreibt
Hallo Ulrike,
Gratulation!! Leider hab ich die Ausstellung verpasst, aber dafür schau ich mir Deine entstehenden Arbeiten im Wörthsee-Kulturenpark dann an, na sicher kriegst Du das/die hin, keine Frage.
Vor allem die „Paar“-Skulptur gefällt mir sehr, auch wenn sie mir auf den ersten Blick, sozusagen wie vertraut, Ying/Yang-mäßig vorkam, aber dann dieses rostige Kreis(s)sägenblatt als Basis, das ist schon nochmal eine „Drehung“…
Schön, diverse Themen und diskursive Assoziationen eröffnend, usw.
Also spannend – wie Kunst eben. (Und um noch was kleines Konkretes anzufügen: besonders gefällt mit der kleine schwarze Punkt, das herunter gerutschte Auge/der Nabel von einem der beiden im – sicher hier vorgefundenen – Paar-„Material“).
Also auf meiner Bingo-Skala von 1 bis 10: 9 Punkte. Warum nicht 10, darüber können wir irgendwann sprechen.
Zehn liebe Grüße von
Elisabeth
Ulrike schreibt
Liebe Elisabeth, danke für diesen einfühlsamen Kommentar. Hab mich sehr gefreut über Deine lobenden und auch ermutigenden Worte! Und bin gespannt, wie Du den „Punkteabzug“ begründest! Konstruktive Kritik ist überaus willkommen … Wobei schon die Vergabe von 9 Punkten sehr generös ist, finde ich!
Liebe Grüße und bis hoffentlich bald, Ulrike