Marillen (Marühn, wie der Wiener sagt), sind das, was wir Piefkes Aprikosen nennen. Und der Begriff „Alte Marille“ bezeichnet einen aromatischen Schnaps, den man aus diesen leckeren Früchten brennt.
„Alte Marillen“, das sind auch wir, die elf Mädels (und drei Ehemänner), die sich Anfang Juli in Wien zusammengefunden haben. Wie es zu dem Namen gekommen ist, erklär ich später.
Die Mädels sind meine Klassenkameradinnen, mit denen ich vor 51 Jahren im Saarland Abitur gemacht habe. Letztes Jahr haben wir das Jubiläum › am damaligen Tatort gefeiert, diesmal haben wir uns in Wien getroffen, wo unsere Freundin Bagi als Ärztin lebt und arbeitet.
Alles ganz easy!
Es war, wie immer, alles so vertraut, als hätten wir uns erst vor ein paar Wochen zuletzt gesehen. Keine sichtbaren äußeren Zeichen dafür, dass wir wieder ein Jahr älter geworden sind. Dieselben Stimmen, Gesten, Ausdrucksweisen wie damals, vor mehr als einem halben Jahrhundert. Das gleiche Staunen, wie anders sich doch die eine oder andere entwickelt hat, als man es während der Schulzeit gedacht hätte!
Und es war rundherum harmonisch! Kein Gejammer, kein Gemecker, kein Zickenkrieg, alles easy.
Die drei Tage unseres Aufenthalts waren super vorbereitet. Eine sympatische und kompetente Führerin ›› zeigte uns bei einem Streifzug durch verborgene Gassen und Innenhöfe der Altstadt „das unbekannte Wien“. Auf der Orgelempore der Jesuitenkirche erklärte uns der Organist, wie dieses komplexe Instrument funktioniert, und danach bekamen wir ein kleines privates Orgelkonzert geboten.
Tags darauf haben wir Hofburg, Sisi-Museum und Kaiserappartements besichtigt, immer garniert mit netten und auch interessanten Anekdoten. Kuchen gab es beim Hof-Zuckerbäcker Demel ››, eine Weinprobe in einem historischen Altstadtkeller, womit auch die – zu Recht vermuteten – kulinarischen Gelüste „älterer Damen“ aufs Köstlichste befriedigt wurden.
Im Kaufrausch
Und schließlich, am letzten Tag, sind ein paar von uns per Donauschiff nach Bratislava gereist, eine hübsche Stadt übrigens, mit reicher Geschichte, deren Besuch ich wärmstens empfehlen kann!
Nach der (sehr lehrreichen und unterhaltsamen) Führung uns selbst überlassen, haben wir ein Schuhgeschäft gestürmt und zu sechst zehn Paar Schuhe erstanden!
Der gute Verkäufer war ob unseres kollektiven Kaufrauschs entzückt. Ich wette, nach unserem gackernden Abgang hat er seinen Laden zugesperrt, ist nach Hause gefahren und hat eine Flasche Schampus aufgemacht …
All das war sehr nett und lustig. Besonders nett war es, wenn wir „frei“ hatten.
Dann zogen wir in Grüppchen durch die Stadt und durch die diversen Museen. Im MUMOK ›› (Museum für Moderne Kunst) gab es eine Ausstellung namens „Klassentreffen“ (sic!) von Nairy Baghramian.
Interessant, was dazu im Katalog zu lesen ist:
… 18 schulterhohe Objekte, die Assoziationen an Skulpturen der klassischen Moderne … wachrufen. Sie erinnern aber auch an (überdimensionale) Gehhilfen … die im Fachhandel „Walker“, zu Deutsch „Rollator“ genannt werden….
Hm. Ist hoffentlich kein böses Omen, dass diese Ausstellung genau zum Zeitpunkt auch unseres Klassentreffens in Wien zu sehen ist …
Und um beim Thema zu bleiben: wir streiften auch – eigentlich ein Muss in Wien mit seiner speziellen Friedhofskultur, schließlich sang schon Georg Kreisler „Der Tod, das muss ein Wiener sein“ – durch den Wiener Zentralfriedhof ›› mit den Grabstätten vieler Berühmtheiten und mit seinem Bestattungsmuseum ››. Auch gruselig schön.
Und abends war dann das pflichtschuldige Abhaken von Klischees angesagt (Heurigenlokal in Grinzing, Spezialitätenrestaurants für Schnitzel, Tafelspitz, Kaiserschmarrn etc).
Walther von der Vogelweide und tandaradei!
Pflichttermin war dann jeweils der Absacker in der Hotelbar
und hier war es auch, wo (schon am ersten Abend) der kreative Funke gezündet hat:
Wir beschlossen, eine What’s App-Gruppe zu gründen, die die Kommunikation während unseres Aufenthalts vereinfachen sollte. Die Namensfindung kam über Umwege zustande: Jemand mit phänomenalem Gedächtnis, ich glaube, es war Anne, hatte Walther von der Vogelweides Gedicht „Under der Linden“ rezitiert (Fettung von mir!):
Under der linden
an der heide,
dâ unser zweier bette was,
dâ muget ir vinden
schône beide
gebrochen bluomen unde gras.
Vor dem walde in einem tal,
tandaradei,
schône sanc diu nahtegal.
ich kam gegangen
zuo der ouwe,
dô was mîn friedel komen ê.
Dâ wart ich enpfangen,
hêre frouwe,
daz ich bin sælic iemer mê.
Kuster mich? Wol tûsentstunt:
tandaradei,
seht, wie rôt mir ist der munt.
Über die Bedeutung von tandaradei haben wir viel gerätselt und uns schließlich darauf geeinigt, dass es einfach ein freudiger Ausruf ist. Und damit war plötzlich klar war: genau so muss unsere What’s App-Gruppe heißen!
Noch etwas später am Abend gingen einige zu härteren Drinks über, eine „Alte Marille“ ›› machte die Runde, es wurde herumgeblödelt – und plötzlich stand fest, wie die Gruppe endgültig heißen sollte: Tandaradei+Alte Marillen!
Die Alten Marillen wurden zum geflügelten Wort während unseres Wien-Aufenthalts (und darüber hinaus). Und wie ich finde, passt diese Bezeichnung wunderbar zu uns, den junggebliebenen 60-something von der Saar: wie sagte schon mal eine liebe Verwandte anläßlich ihres Vierzigsten: „Lieber würzig mit vierzig als ranzig mit zwanzig“.
Und wie sehr trifft das erst auf die 60+ zu!
Denn würzig ist eine Alte Marille allemal, sie wird aus vollreifen, süßen, aromatischen Früchten gebrannt, ist gut für den Magen und macht lustig.
Was will man mehr …
Ich freu mich sehr auf das nächste Mal! Tandaradei, ihr Alten Marillen!
Schaal, Helga schreibt
Um als höchst aromatischer Geist in der Flasche zu enden, dazu war Wien perfekt. Das Klassentreffen ist uns allen gerecht worden, ich erinnere mich mit Freude daran. Wo treffen wir uns nächstes Jahr, wo steht unsere Geisterbahn? Einen schönen Spätsommer euch allen ✋️✋️✋️Marille Helga
Ulrike schreibt
Wie wär’s mit dem schönen Düsseldorf, liebe Helga? Oder mal in der Bretagne? Wär ein schönes Kontrastprogramm …
Gertrud Schneider schreibt
Liebe Ulrike,
ganz herzlichen Dank für den gelungenen Bericht über unser Klassentreffen. Du sprichst mir damit aus der Seele.
Gertrud Schneider schreibt
Liebe Ulrike,
ganz herzlichen Dank für den gelungenen Bericht über unser Klassentreffen. Du sprichst mir damit aus der Seele.
Ulrike schreibt
Danke für Deinen netten Kommentar, liebe Gertrud!!
Birgitt Holschuh-Lorang schreibt
Liebe Ulrike,
Einfach wunderbar dieser Artikel, der die großartigen Wienerinnerungen wieder so präsent werden lässt! Wünschen wir uns, dass diese „Alten Marillen“ mit ihrer zarten Aprikosenhaut sich noch oft „Tandaradeihauchend“ in welchen Gefilden auch immer
treffen und sich dieser immer wieder ans Herz gehenden Vergnüglichkeiten erfreuen mögen!
Alles Liebe
Ulrike schreibt
Liebe Birgitt, vielen Dank für Deinen lieben Kommentar! Ein Hoch auf die Aprikosenhaut! Tandaradei!!
Brigitte Fossen schreibt
Liebe Ulrike!! Neben all Deinen anderen Talenten hast Du aber auch ein ebensolches journalistisches, alle Achtung, sagenhaft geschrieben und bebildert!! Und natürlich genau auch mein Empfinden wiedergegeben: es war alles super und uns alten Marillen würdig! Apropos Aprikosenhaut, viel besser als Orangenhaut!!!!! ‚Schaunmermal‘ was unser nächstes Ziel wird, ich freu mich schon drauf! Alles liebe von Gitta (und Klaus, der es auch genossen hat)
Irmtraud Sprenger-Klasen schreibt
Liebe Ulrike, wenn auch verspätet, so doch umso herzlicher danke ich Dir für Deinen sehr anschaulichen und humorvollen Bericht über unser Klassentreffen in Wien.
Wie Du weißt, schätze ich Deinen „Schreibstil“ sehr und ich freue mich schon auf Deine nächsten Beiträge!