Im August 2021 ist das Café eigenleben ›› eröffnet worden. Und seitdem hat sich ein neues ToDo in meinem Leben etabliert: ich bin jetzt »Servicekraft«.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich sowas mache: vor vielen Jahren, in den 80ern des letzten Jahrhunderts, habe ich zusammen mit Mitgliedern unserer deutsch-italienischen Theatergruppe › ein italienisches Steh-Bistro gegenüber der Münchner Neuen Pinakothek betrieben.
Ich gehörte zusammen mit meinem damaligen Partner zur »Chefetage«, trug also Mitverantwortung, und entsprechend stressig war das auch, vor allem am Anfang. Wir waren ja alle keine Gastronomie-Profis, sondern nur Hobbyköche. Die Idee, dieses Hobby zu einem Nebenjob (wie wir naiverweise dachten) zu machen, entstand, weil wir bei unseren Theaterproben, die jeweils bei einem von uns zuhause stattfanden, uns gegenseitig bekochten und immer ziemlich begeistert von den Kochkünsten der Gruppenmitglieder waren.
Zuerst wollten wir ein Café-Theater eröffnen, wie es ja schon einige Vorbilder in München gab, aber wir fanden keine Räume dafür.
Aber dann wurde dieser »Steh-Italiener« in der Barerstraße frei, und wir ergriffen die Gelegenheit.
Es war eine ziemlich extreme Erfahrung
Unser Bistro war von Anfang an ein großer Erfolg. Viele Schauspieler sind gekommen, wir sind in den Medien als Treffpunkt für die Film- und Theaterszene erwähnt worden. Und gleich im ersten Jahr wurden wir für Veranstaltungen des Münchner Filmfests gebucht. Wir stürzten uns ohne jede Erfahrung in das Abenteuer, Catering für bis zu 300 Personen zu machen. Ein Horror!
Es hat jedoch alles geklappt, und das war der Auftakt für eine schöne Erfolgsgeschichte. Aber es war auch sehr anstrengend: planen, einkaufen, kochen, bedienen, und immer wieder große Caterings. Jeder von uns hat alles gemacht. Es war eine ziemlich extreme Erfahrung.
Der eine oder andere aus der Anfangszeit hat sich dann auch relativ bald zurückgezogen, um sich wieder allein der Schauspielerei zu widmen.
Für mich persönlich ist diese Zeit nach sieben Jahren zu Ende gegangen, weil ich einfach nicht mehr konnte. Ich hatte ja gleichzeitig auch noch Drehbücher geschrieben und Übersetzungen gemacht.
Damals habe ich mir geschworen: nie wieder Gastronomie!
Und da steh ich jetzt und kann nicht anders.
Es macht richtig Spaß!
Denn das Café eigenleben ist etwas ganz Anderes als unser damaliges Bistro. Es ist ja als Anlaufstelle für die Mitglieder unseres Vereins ›› gedacht, wo aus Gründen der Wirtschaftlichkeit natürlich auch jeder andere Gast willkommen ist, der hier essen und trinken und sich mit netten Menschen treffen will.
Und das Konzept, im Café auch kulturelle Veranstaltungen zu machen, hat nicht nur die Vermieterin überzeugt, sondern stößt auch bei den Gästen auf großes Interesse.
Ich bin also – als »Eigenlebende« und Mutter der Chefin und Vereinsgründerin Anne – von Anfang an im Team dabei und helfe ehrenamtlich im Service aus.
In der ersten Zeit kam ich immer, wenn ich gebraucht wurde – und das war auch schon mal mehrmals die Woche. Seit sich alles ein bisschen eingespielt hat, immer dienstags und bei Bedarf auch an anderen Tagen. Doch solcher Bedarf ist zum Glück seltener geworden.
Und was ich mir vor jetzt mehr als 40 Jahres nicht hätte träumen lassen: es macht richtig Spaß!
Das hat mehrere Gründe:
das Ambiente im Café ist sehr gemütlich, ich fühle mich dort ausgesprochen wohl;
das Team ist total nett, und es macht immer wieder Freude, zusammen zu arbeiten;
es ist schön, wenn die Gäste das gute Essen und den freundlichen Service loben; viele sagen sogar, das Café sei für sie wie ein zweites Wohnzimmer;
und – last but not least – es kommen viele interessante und durchweg sympathische Leute, mit denen zu plaudern oft sehr bereichernd ist.
Und manche Begegnung im Café hat auch schon dazu geführt, dass der Verein neuen Zuwachs bekommen hat.
Auch unser – notgedrungen noch reduziertes – kulturelles Angebot findet bei den Gästen großen Anklang.
Konkrete Beispiele dafür sind unsere fremdsprachigen Konversationsrunden, bei denen immer mehr Interessenten mitmachen. Oder ein Gast bietet an, mal einen Vortrag über sein Fachgebiet zu halten. Oder ein Filmemacher wird (sobald die Pandemie es erlaubt) ein eigenes Werk vorführen und zur Diskussion stellen.
Herausforderungen halten fit
Was die Sache für mich aber wesentlich reizvoller macht als damals unser italienisches Bistro: Ich trage keine Verantwortung! So kann ich viel entspannter meinen »Dienst« versehen und die angenehmen Seiten viel mehr genießen.
Denn natürlich ist nicht alles angenehm bei dieser Tätigkeit! Sechs oder mehr Stunden Service gehen körperlich ganz schön an die Substanz, wenn man mehr als 70 Jahre auf dem Buckel hat. Und zwar in seiner konkreten Bedeutung: Der Rücken schmerzt manchmal höllisch, die Füße tun weh, und meistens brauche ich einen Tag Erholung nach dem Dienst.
Trotzdem bin ich gern Servicekraft, weil die positiven Aspekte die negativen bei weitem übertreffen.
Mal sehen, wie lang ich das noch hinkriege.
Es ist ja auch eine Herausforderung, und Herausforderungen halten fit › , wie man weiß.
Ott schreibt
Hallo meinen Respekt und Anerkennung ! Welch ein Geschenk 💝 eine Leistung die Menschen zu vernetzen die Möglichkeit des Austausches, der Begegnungen und der Bereicherung! Danke 🙏
Ulrike schreibt
Liebe Sonja, vielen Dank für die lobenden Worte und den schönen Kommentar!