Ich denke, viele Neulinge im Rentnerdasein kennen es, dieses überwältigende Gefühl der neuen Freiheit, das einem erlaubt, ohne äußere Zwänge über seine Zeit zu verfügen. Kein morgendlicher Stress mehr, um pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. Abends nicht mehr zu erschöpft sein für die Dinge, die einem persönlich wichtig sind. Wie schön, einfach mal spontan an den Lieblingssee zum Baden fahren zu können, oder das Laptop zuzuklappen, die Laufschuhe anzuziehen und eine Runde im Park zu drehen, oder sich in einem Café zu verabreden, oder sich zwischendurch mit einem Buch auf die Terrasse zu setzen. Oder gemächlich durch den Englischen Garten zu radeln, sich unter einen Baum ins Gras zu legen, die Füße in den Eisbach zu hängen und nichts zu tun.
Diese Liste kann beliebig erweitert werden, je nach den persönlichen Bedürfnissen und Möglichkeiten.
Üblicherweise hat man als Anwärter auf die dritte Lebenshälfte genug Zeit, sich darauf vorzubereiten und sich auszumalen, wie man die neue Freiheit genießen wird.
Bei mir ist das anders gelaufen. In einer Unternehmensleitung tätig zu sein, ist eine tägliche Herausforderung, da bleibt nicht viel Zeit, das Danach zu planen. Dann so relativ plötzlich „nicht mehr gebraucht“ zu werden, war erst mal ein ziemlicher Schock für mich. Eigentlich bin ich schon seit ein paar Jahren Rentnerin, aber ich war ja immer noch voll berufstätig und konnte es mir kaum vorstellen, es plötzlich nicht mehr zu sein.
Diese „unerwartete“ Untätigkeit hat mich tatsächlich in ein Loch fallen lassen. Ich war eine Zeitlang nicht in der Lage, mir eine neue Perspektive für die nächste Zukunft auch nur vorzustellen.
Am Schlimmsten aber war das Gefühl der plötzlichen Nutzlosigkeit, das sinnentleerte Verstreichen der Tage.
Es war eine Art Trauerarbeit, die ich zu leisten hatte. Und seit ich das hinter mir habe, sind von ganz allein neue Ideen aufgetaucht und ich habe neue Projekte in Angriff genommen. Und endlich gelingt es mir, die neue Freiheit zu erkennen und zu genießen.
Natürlich kann ich diese persönliche Erfahrung nicht verallgemeinern. Ich glaube aber, dass ein Ruhestand ohne sinnvolle Tätigkeit, sei es nun zum Gelderwerb oder um langgehegte Träume endlich zu verwirklichen oder einfach nur Gutes zu tun, letztendlich traurig macht. Die endlose Muße wird dann fad, das Geschenk der Freiheit verliert seinen Reiz.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich es so bald schon sagen würde:
Wie schön, dass es so ist wie es ist!
Ich freue mich über Eure Meinung!