Letztes Jahr im September haben wir eine kleine Reise gemacht. Sie führte uns von einem Familienbesuch in der Toskana zum nächsten Familienbesuch nach Südfrankreich.
Der Weg von der Maremma in die Provence hat uns durch Ligurien geführt, und wir haben die Gelegenheit genutzt, Lorenzo Dasso zu besuchen, den ehemaligen Architekten, der mehrere Jahre mit Renzo Piano zusammengearbeitet hat, bevor er zum Fischer und Restaurantbetreiber wurde. In meinem Artikel »Das Ligurien-Projekt« › habe ich seine ungewöhnliche Geschichte erwähnt.
Mit dem Rad nach Cavi
Schon bei unserer Italienreise im Jahr zuvor hatten wir geplant, bei Lorenzo zu essen. Während meiner Recherchen zu dem geplanten Ligurienfilm fand ich seine Geschichte so spannend, dass ich ihn gern persönlich kennenlernen wollte.
Aber damals hat es leider nicht geklappt, weil wir die Reiseroute spontan ändern mussten. Diesmal aber lag Cavi di Lavagna, wo Lorenzo sein mehrfach ausgezeichnetes Fischrestaurant mit dem ungewöhnlichen Namen »Raieü« betreibt, auf unserem Weg, und auf meine Anfrage, ob wir vorbeikommen könnten, antwortete Lorenzo sofort.
Das kleine Fischerdorf Cavi di Lavagna liegt etwa auf halbem Weg zwischen La Spezia und Genua. In Lavagna, dem benachbarten Städtchen, hatten wir einen am Hang hoch über dem Meer gelegenen Campingplatz gefunden, von dem wir mit den Fahrrädern eine gewundene Bergstraße mit wunderschönen Ausblicken nach Cavi hinunter fuhren.
Lorenzo hatte uns gebeten, etwas früher zu kommen, damit wir uns noch ein bisschen unterhalten konnten, bevor es für ihn Zeit für die Küche wurde. Er kam gleichzeitig mit uns beim Restaurant an und begrüßte uns so herzlich, als seien wir alte Freunde.
Noch hatten wir freie Platzwahl und wir setzten uns in den hinteren der zwei Gasträume, ein uriges Zimmer mit holzvertäfelten Wänden und echten Schiffslampen über den dunklen Holztischen.
»Food is Culture«
Lorenzo setzte sich zu uns, und die Zeit verging viel zu schnell, bis er in die Küche musste, um sich um das Menü des Abends zu kümmern.
»Food is Culture« ist Lorenzos Motto, und sein zweiter Wahlspruch lautet: »Less is more« nach Mies van der Rohe, dem berühmten Vertreter des Minimalismus in der Architektur.
Entsprechend werden in Lorenzos Restaurant nur Basisprodukte von höchster Qualität verarbeitet und die Gerichte werden nach traditionellen Rezepten der Region und nach den Kriterien von Slow Food zubereitet. Und natürlich kommt nur Selbstgefangenes auf den Tisch. Diese herrlich frische Küche, die auf jeden Schnickschnack verzichtet, hat es wirklich verdient, sowohl im Guide Michelin aufzutauchen wie auch im »Ostinati«, dem Buch, das die Slow Food Bewegung ›› herausgibt und in dem die besten Restaurants der italienischen Regionen mit einem Artikel und ein paar typischen Rezepten gewürdigt werden.
Das Menü richtet sich nach dem Fang des Tages
Die Speisekarte richtet sich nach dem Fang des jeweiligen Tages, den Lorenzo persönlich am frühen Morgen einholt. Wir studierten also das aktuelle Menü, und es war gar nicht einfach, sich zu entscheiden, alles klang so köstlich …
Wir ließen uns von Lorenzos Tante Anna, die im Restaurant beim Service hilft, beraten. Für die Vorspeise empfahl sie uns frisches Thunfisch-Carpaccio und in Olivenöl und Zitrone marinierte Sardellen. Es war genau die richtige Empfehlung!
Danach gab es Ombrina, einen sehr feinen Fisch aus dem Mittelmeer, dessen zartes weißes Fleisch an Wolfsbarsch erinnert. Anna zerlegte den Fisch für uns und es war schön, zuzusehen, mit wieviel Geschick und Hingabe sie ihn von seinen Gräten befreite und auf unsere Teller verteilte.
Auch der Weinanbau ist eine Familientradition
Dazu kredenzte sie uns einen wunderbar passenden Weißwein aus der Produktion von Lorenzos Bruder Emanuele, der sich um die Weinberge und die Olivenhaine der Familie kümmert. Lorenzo sagt dazu: »Mein Bruder interessiert sich nicht für den Fischfang, seine Leidenschaft ist die Landwirtschaft. So wir ergänzen uns perfekt!«
Obwohl wir nach dem Hauptgang eigentlich schon am Limit unseres Fassungsvermögens angelangt waren – Anna brachte uns zwischendurch Probierhäppchen, damit wir auch andere Gerichte kosten konnten – haben wir uns dann doch noch für ein Dessert entschieden: wir nahmen die Torta al Cioccolato mit einer dicken Kugel Eis dazu und ein Stück der traditionellen Sacripantina Genovese, einem üppigen Kuchen aus Biskuitteig mit Buttercreme – köstlich!
Lorenzo verabschiedete sich von uns, bevor wir fertig gegessen hatten. Er wollte noch nach seinen Kindern sehen und dann früh zu Bett gehen. Sein Tag fängt ja bereits an, wenn manch Anderer erst schlafen geht …
Der Klimawandel macht sich auch hier bemerkbar
Bevor er ging, machte er uns den Vorschlag, am nächsten Vormittag wiederzukommen und uns von seiner Mutter Carla Bo die kleine Gästewohnung zeigen zu lassen, die er erst vor kurzem im Haus hinter dem Restaurant eingerichtet hatte.
Das haben wir dann auch getan, und während wir die ausgetretenen Steinstufen in dem Jahrhunderte alten, verwinkelten Haus hinaufstiegen, erzählte uns Carla, dass im Sommer ein heftiges Unwetter mit Sturm und Hagel, das nur über Cavi getobt und die Nachbarorte verschont hatte, nicht nur die gesamte Oliven- und die Weinernte dieses Jahres vernichtet, sondern auch vielen Häusern im Ort schwere Schäden zugefügt habe. Schuld daran sei nur der Klimawandel, denn vorher habe sie so etwas noch nie erlebt!
Die Gästewohnung ist gemütlich und mit alten Möbeln geschmackvoll eingerichtet, und es gibt auch eine kleine Veranda. Gut zu wissen, dass man sich beim nächsten Mal nach ausgiebigem Schlemmen im »Raieü« nicht mehr mit dem Rad den steilen Hang hinauf quälen, sondern einfach ein paar schöne, uralte Stufen hochsteigen und in ein großes altes Bett fallen muss …
Schön, dass wir uns jetzt persönlich kennengelernt haben, Lorenzo! Wir kommen bestimmt wieder!
dodo lazarowicz schreibt
da möcht man ja ofort stante pede, aber ohne radl, hin, sich einquartieren und futtern bis zum umfallen! noch dazu nach einem blick aus dem fenster…
liebe ulrike, nur über die prezzi schweigst du diskret. aber die möcht man doch schon wissen, vom essen und von der kleinen wohnung?
dankeschön für den stimmungsaufhellenden restaurant-report. grazie mille
Ulrike schreibt
Danke für deinen schnellen Kommentar, liebe Dodo! Was die prezzi betrifft: sie sind ausgesprochen moderat und das bewirkt auch, dass viele Einheimische dorthin zum Essen gehen. Was den Preis der kleinen Wohnung betrifft, kann ich dir leider nicht sagen … Wenn es dich interessiert, kann ich Lorenzo natürlich mal fragen!