Es ist eine Zeit voller Melancholie, voll wehmütiger Gedanken über Versäumtes im vergangenen Jahr, im vergangenen Leben, und an das Ende, das sicher kommt.
Aber noch ist es nicht so weit! Nicht in der Natur, nicht in meinem Leben!
Die Natur lockt mit üppigem Farbenrausch, warm, lebendig, verschwenderisch. Als wolle sie noch einmal unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, bevor sie in Winterstarre versinkt. Ein letztes Aufbäumen vor dem nahenden Ende des Jahreszyklus.
Es hält mich nicht zuhause, ich muss raus. Das Wetter soll umschlagen, nach diesen fast sommerwarmen Tagen der letzten Wochen soll es windig und kalt werden. Der Gedanke an kommende nasse Nebeltage drängt mich, das schöne Wetter noch auszunutzen.
Ich schwinge mich auf mein Fahrrad und radle zum Englischen Garten. Das ist, wie in eine andere Welt einzutauchen. Schon wenige Meter hinter dem Parkeingang mit seinem Gedränge bin ich fast allein. Spaziergänger, Radler und Jogger verlieren sich in verschiedene Richtungen. Und je weiter ich nach Norden komme, umso stiller wird es.
Und dann plötzlich traue ich meinen Ohren nicht: ich höre Schafe blöken. Kann das sein? Ja, tatsächlich, da, auf einer Wiese, unter den teilweise schon kahlen Bäumen, eine ganze Herde, weiße, ein paar schwarze, und sogar mehrere Lämmer. Es blökt in allen Stimmlagen, das trockene Laub raschelt auf, wenn sie unvermutet losrennen.
Ein idyllisches Bild, fast surreal. Mitten in München, mitten im Englischen Garten!
Ich fahre weiter, über die Isar zur Emmeramsmühle. Vor dem Biergarten eine große Weide mit schwarzzotteligen Rindern. Auch hier das Gefühl, nicht in einer Millionenstadt, sondern irgendwo auf dem Land zu sein.
Langsam sinkt die Sonne, es wird kühler. Ich mache mich auf den Rückweg.
Pausiere an einem Weiher, in dessen stillem Wasser sich die Buchen in all ihrer farbigen Pracht spiegeln.
Ja, der Herbst ist eindeutig meine Lieblingsjahreszeit. Auch wenn er ein Symbol für die Lebensphase ist, an deren Ende unabwendbar der Tod steht. Aber auch wir können in unserem Lebensherbst nochmal zu Höchstform auflaufen, können die letzten warmen Tage unseres Lebens nutzen, bunt und verlockend sein und andere glücklich machen.
Die Natur erwacht nach der winterlichen Ruhephase zu neuem Leben.
Wer weiß, was mit uns geschieht, danach?
Ich freue mich über Eure Meinung!