• Skip to primary navigation
  • Skip to main content
  • Skip to primary sidebar
  • Skip to footer

eigenleben.jetzt

Das Geschenk der späten Jahre

  • Ulrikes Blog
  • EIGENSINN – DAS GESCHENK DER LETZTEN JAHRE
EigenSinnBücherGanz großer Lesespaß
Titelbild mit Foto der Großmutter
Auf dem Foto des Titels ist die Großmutter des Autors in jungen Jahren abgebildet. Foto: Ulrike Ziegler

»Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke«

Ganz großer Lesespaß

Wer in dieser von Schreckensnachrichten geprägten Zeit das Bedürfnis hat, sich entspannten Lesegenuss zu gönnen, dem sei dieser autobiographische Roman des Schauspielers und Autors Joachim Meyerhoff ans Herz gelegt. Es macht großen Spaß, in die skurrile Welt seiner Münchner Großeltern einerseits und in die für den Theaterbesucher eher unbekannte Welt der Schauspielschule mit ihren oft ziemlich schrägen Unterrichtsmethoden andererseits einzutauchen.

Autorin: Ulrike

Vor einiger Zeit wurde mir ein Buch des Schauspielers und Autors Joachim Meyerhoff ausgeliehen, der mir bis dahin nichts sagte. Dieses Buch hat mir dann aber so gut gefallen, dass ich es unbedingt weiterempfehlen möchte.
Der Titel lautet »Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke« (ein Zitat aus Goethes Werther) und es ist der dritte Teil der autobiographischen Romanreihe »Alle Toten fliegen hoch«. Meyerhoff hat den Stoff ursprünglich als Theaterprojekt verarbeitet, in sechs Teilen, die regelmäßig für ein volles Haus im Wiener Burgtheater gesorgt haben, wo er einige Jahre Ensemblemitglied war und eigene Inszenierungen einbrachte.

Familiengeschichte in Romanform

Erst danach hat er seine eigene Geschichte und die seiner Familie in Romanform veröffentlicht – und er hat begeisterte Rezensionen erhalten.
Zu Recht, wie ich finde!

Der Ich-Erzähler ist zu Beginn des Buches Anfang 20. Er bereitet sich darauf vor, seinen Zivildienst anzutreten, als er völlig unerwartet auf der Otto-Falckenberg-Schule in München angenommen wird. Obwohl er anstatt der erforderlichen drei nur eine einzige Rolle zum Vorsprechen einstudiert hat, wird er, zu seinem eigenen Erstaunen, angenommen, als einer von neun aus 931 Bewerbern …
Die Aufnahme an der Schauspielschule ermöglicht es ihm, sich seiner Trauer um den tödlich verunglückten Bruder und einem Leben voll bedrückender Gedanken und Gefühle zu entziehen.

Die Großeltern leben skurrile Rituale

Er kommt für die Dauer des Studiums bei seinen Großeltern in München unter, die eine schöne Villa beim Nymphenburger Schloss bewohnen.
Seine Großmutter, eine ehemals gefeierte Schauspielerin ‹‹ , und sein Großvater, ein emeritierter Professor der Philosophie ››, leben tägliche Rituale, an denen sich  seit Jahrzehnten nichts geändert hat und in denen gepflegter, aber reichlicher Alkoholkonsum eine nicht unbedeutende Rolle spielt.
Die Art, wie der Autor diesen aus der Zeit gefallenen Alltag seiner Großeltern, der ihn ebenso fasziniert wie irritiert, beschreibt, ist voller Empathie, liebevoll und witzig zugleich.

Zwei unterschiedliche Welten

In krassem Gegensatz zu diesem großelterlichen Leben, das ganz und gar dem Schein huldigt, stehen seine Lehrjahre an der Schauspielschule, von deren teilweise abstrusen Unterrichtsmethoden er sich maximal überfordert fühlt. Man verlangt von ihm, dass er sein bisher als Ganzes empfundenes Sein in seine Einzelteile zerlegt, bisherige Selbstverständlichkeiten wie Sprechen und Atmen werden zur Qual:
»In diesem Raum, an dieser Wand, an diesem Vormittag verlor meine Atmung ihre Unschuld, wurde von der schütteren Sprecherzieherin gnadenlos entjungfert. Ich hasste meinen Atem, der nicht tat, was ich wollte. Der stockte und klemmte. Der alles andere war als ein weicher Fluss, auf dem die Vokale strömten. Nie hatte ich mich beim Sport um diesen Atem gekümmert. Immer hatte er mich trotz größter Anstrengung verlässlich mit Sauerstoff versorgt. Doch an dieser Wand, an der nun tatsächlich mein Atemselbstverständnis exekutiert worden war, ging etwas zu Ende und eine Leidensgeschichte begann.«

Der Unterricht als Folter

Je mehr Zeit vergeht, umso mehr plagen ihn Zweifel, ob er wirklich zum Schauspieler geeignet ist.
Doch was sich für den jungen Schauspielschüler teilweise wie Folter anfühlt, ist für den Leser ziemlich belustigend. So soll er sich zum Beispiel vorstellen, ein Nilpferd zu sein und gleichzeitig eine Szene aus Fontanes »Effi Briest« spielen:
»Ich ging in die Knie, machte mich so schwer ich konnte, versuchte irgendwie fett auszusehen und stapfte mit Nilpferdblinzeln hinaus auf die Bühne. In den nächsten Minuten verlor ich vollkommen mein Zeitgefühl. Mein Text schien ewig zu dauern. Ich wurde nervös, machte aber weiter nichts, als sehr langsam zu sprechen, zu blinzeln und zu versuchen, einen riesigen Hintern zu haben. Ich hatte mir fest vorgenommen hin und wieder mein Maul aufzusperren, mit unsichtbaren Hauern in die Luft zu schnappen, aber der Mut kam mir abhanden. Maulend zerkaute ich den Text und eine sich von der Zungenspitze rasant ausbreitende Dürre trocknete meinen Mund aus … «
Solche und ähnliche für ihn sinnentleerte Übungen stürzen ihn in tiefe Verwirrung, und die damit verbundenen Versagensängste versucht er dann abends auf dem Sofa in Gesellschaft seiner Großeltern in Rotwein zu ertränken.

Witz und ironische Distanz

Die Beobachtung der abstrusen und durch nichts zu erschütternden Gewohnheiten seiner Großeltern lenkt ihn ab und scheint ihm den nötigen Halt zu geben, der ihm tagsüber abhanden gekommen ist:
»Meine Großeltern hörten jeden Abend Musik. Sie hatten nur wenige Platten, die durch ihr immer und immer wieder Hören arg mitgenommen waren. Es begann eines ihrer abstrusesten Rituale, dem sie, egal, was um sie herum geschah, die Treue hielten. Sie zündeten Kerzen an und legten sich gemeinsam auf eine große Kaschmirdecke auf den Boden. Da lagen sie dann, wie Tote, die sich selbst aufgebahrt hatten. Das taten sie auch, wenn Besuch da war, sagten: ‚Lasst euch nicht stören, aber wir hören jetzt unsere Musik!‘ Bestimmte Platten blieben immer an denselben Stellen hängen, und es dauerte lange, bis sie es merkten. Niemand wagte es, die in der Rille verhakte Nadel zu befreien. Sie dösten. Lagen auf dem Boden, hielten sich an den Händen, und die Gäste saßen da und sahen ihnen beim Musikhören zu.«

Auf fast jeder Seite muss man lachen

Der Autor wechselt mühelos zwischen dieser in skurrilen Ritualen versteinerten und irgendwie auch tragischen Welt seiner Großeltern und den für mich sehr spannenden Einblicken hinter die Kulissen des Theaters und die Formung seiner Akteure.
Witz und ironische Distanz, das großartige Beobachtungsvermögen und die treffsichere Sprache des Autors machen die Lektüre dieses Buches zu einem echten Genuss, und ich kann es gerade in diesen wenig lustigen Zeiten sehr empfehlen.
Ein schönes Buch, das auf fast jeder Seite zum Lachen bringt!

Das Buch ist 2015 bei KiWi erschienen.

 

  • teilen 
  • twittern 
  • E-Mail 
  • drucken 

Reader Interactions

Was Sie noch interessieren könnte:

50 Jahre Abitur

50 Jahre Abitur

JETZT
LESEN
Volkskrankheit Einsamkeit

Eines der größten Probleme unserer Gesellschaft

Volkskrankheit Einsamkeit

JETZT
LESEN
Luis Sepúlveda und die Entdeckung der Langsamkeit

Lektüre, die in schwierigen Zeiten glücklich macht

Luis Sepúlveda und die Entdeckung der Langsamkeit

JETZT
LESEN

Ich freue mich über Eure Meinung! Antworten abbrechen

Primary Sidebar

Kategorien

  • Alle Themen
  • Bücher
  • Essen
  • Familie
  • Gesundheit
  • Hobby
  • Kultur
  • Menschen
  • Persönliches
  • unterwegs

Beiträge

Französische Serviette als Dekoration. Foto: Ulrike Ziegler

Jacques’ Käseparty – französische Lebensart in Seefeld

La vie est belle!

Unsere französische Konversationsgruppe ist zu einer privaten Käse-Degustation bei einem unserer Mitglieder eingeladen worden. Es war ein überaus genussvolles Erlebnis!

zum
Beitrag
Das Goldmund Quartett. Foto: Ulrike Ziegler

Das Goldmund Quartett hat in Wörthse ein Konzert gegeben

Musiker von Weltruf hier bei uns!

Neulich sind wir spontan in die Aula der Wörthseer Grundschule gegangen, um ein weltbekanntes Streichquartett zu hören. Es war großartig!

zum
Beitrag
Buchtitel Radisch und Butor. Foto: Ullrike Ziegler

Ein großartiges Buch von Michel Butor

Paris-Rom oder Die Modifikation

Ich hatte noch nie von ihm gehört, obwohl er einer der wichtigsten Autoren des Nouveau Roman war: Michel Butor. Entdeckt habe ich ihn in einem Buch von Iris Radisch. Sie hat mit Michel Butor ein »Lebensendgespräch« geführt, das meine Neugier geweckt hat. Ich hab mir das Buch gekauft – und es hat mich beistert!

zum
Beitrag
Kleine Maus in der Falle. Foto: Ulrike Ziegler

Im Mäuseparadies

Aus die Maus?

Seit ein paar Wochen haben wir Mäuse auf unserem Balkon. Und die stellen uns vor einige Fragen: Wie sind sie da raufgekommen? Sobald wir eine gefangen haben, kommt eine neue … wie kann das sein? Und wann hört diese Invasion auf? Wir üben uns in Geduld …

zum
Beitrag

Kommentare

  • Doulas sind Hebammen für die Seele - eigenleben bei Das Alter ist nur eine Zahl
  • La vie est belle! - EigenSinn bei »Unsere Herzen – Ein Klang«
  • Ulrike bei Paris-Rom oder Die Modifikation
  • dodo lazarowicz bei Paris-Rom oder Die Modifikation
  • Ulrike bei Aus die Maus?

Archiv

  • November 2024
  • August 2024
  • April 2024
  • September 2023
  • Januar 2023
  • Oktober 2022
  • August 2022
  • Juli 2022
  • Juni 2022
  • März 2022
  • Januar 2022
  • Juli 2021
  • März 2021
  • Februar 2021
  • Januar 2021
  • November 2020
  • Oktober 2020
  • März 2020
  • Januar 2020
  • Oktober 2019
  • August 2019
  • Juli 2019
  • Mai 2019
  • April 2019
  • Januar 2019
  • Dezember 2018
  • November 2018
  • Oktober 2018
  • September 2018
  • August 2018
  • April 2018
  • März 2018
  • Januar 2018
  • Dezember 2017
  • November 2017
  • Oktober 2017
  • September 2017
  • August 2017
  • Juli 2017
  • Juni 2017
  • Mai 2017

Stichworte

Adoption Alter Ausstellung Beziehung Buch Chartres Dokumentarfilm Einsamkeit Eltern Emotionen Erfolgserlebnis Familie Film Gefühl Genuss Gesundheit Herbst Kindheit Krankheit Landleben Leben Leon Pollux Liebe Ligurien München Natur Reise Reisen Rentnerdasein See spannend Spaß Sport Stress Südtirol Tod Tourismus Training Urlaub Wald Wandern Weltrekord Wohnungssuche Wörthsee Yoga

Footer

  • Impressum
  • Datenschutz

Das Magazin eigenleben.jetzt ist ein Projekt des gemeinnützigen Vereins Marli Bossert Stiftung