Gestern habe ich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einen Artikel über die Einsamkeit gelesen. Dieses Thema ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, als wir Ende letzten Jahres über ein Leben weit draußen auf dem Land nachgedacht haben. Ich habe darüber in einem Blogbeitrag › berichtet. Dort draußen, weitab von jeder „Zivilisation“ keine Ansprache zu haben und zu vereinsamen war meine größte Sorge, und der Artikel hat mir bestätigt, was ich nicht wußte, aber spürte: Einsamkeit ist gefährlich!
In England hat man dieses Problem erkannt: seit einer Woche gibt es dort eine Ministerin für Einsamkeit. Das ist fortschrittlich, denn Einsamkeit ist nicht gut für die Gesundheit. Studien zufolge erhöht sie die Sterblichkeitsrate, es heißt, das Risiko sei vergleichbar mit dem Rauchen von 15 Zigaretten täglich.
Offenbar gibt es immer mehr Menschen, die unter Einsamkeit leiden, auch bei uns. Das Gefühl des Verlassenseins und der damit verbundenen Angst tritt in allen Altersstufen auf, am häufigsten aber bei alten Menschen. Wenn Partner und Freunde wegsterben, wenn körperliche Einschränkungen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschweren, wenn die Familie weit entfernt lebt und nur selten zu Besuch kommen kann.
Einsamkeit ist nicht dasselbe wie Alleinsein. Ob man allein sein will, kann man sich aussuchen. Einsamkeit ist nicht freiwillig. Sie tritt auf, wenn gute soziale Beziehungen fehlen. Es geht also nicht nur darum, Menschen um sich zu haben, es geht um die Qualität der Beziehung zu diesen Menschen.
Die körperliche Auswirkung von Einsamkeit ist Stress. Es werden dieselben Hirnareale aktiviert wie bei körperlichem Schmerz. Auf Dauer kann dieser Stress zu Herz-Kreislauf-Problemen, Diabetes, sogar Krebs führen und das Risiko für Alzheimer und Depression erhöhen.
Dass dieses Gefühl sich so stark auf unsere Gesundheit auswirkt, hängt mit der Evolution zusammen. Wurde ein Steinzeitmensch alleingelassen, bekam er Todesangst. Schließlich hing sein Überleben von der Einbindung in die Gruppe ab. Das steckt uns wohl noch in den Knochen.
Das Verlassenheitsgefühl einsamer Menschen kann in einer großen Stadt genauso auftreten wie auf dem Land und ist ein persönliches und ein gesellschaftliches Problem. Dass Theresa May eine Einsamkeits-Ministerin ernannt hat, ist ein Schritt in die richtige Richtung. So gelangt das Problem in das Bewusstsein der Gesellschaft und es wird ihm endlich die nötige Aufmerksamkeit zuteil.
Was also kann man gegen Einsamkeit tun?
Grundsätzlich sollte jeder Einzelne dafür sorgen, dass er befriedigende soziale Kontakte aufbaut und pflegt, so lange er das noch kann. Dass er sich nach Gleichgesinnten umsieht, die seine Interessen teilen und mit denen er gern und regelmäßig Umgang pflegt.
Die Politik kann Netzwerke fördern, die einsame Menschen einbinden. Sie kann Initiativen unterstützen, die Menschen helfen, aktiv zu bleiben und an der Gesellschaft teilzuhaben. Eine solche Initiative ist die Marli Bossert Stiftung ››, zu der das Projekt Eigenleben.jetzt gehört. Wir sind also auf dem richtigen Weg!
Übrigens, das Haus auf dem Land ist inzwischen verkauft. Wir haben offenbar zu lange gezögert, waren uns zu unsicher. Viele Freunde hatten uns von dem Experiment abgeraten, auch mit dem Hinweis auf drohende Vereinsamung. Einen Tag, nachdem wir uns dagegen entschieden hatten, kam die Nachricht, dass das Haus verkauft sei. Das war genau der Wink des Schicksals, auf den ich gehofft hatte. Er hat bestätigt, dass unsere Entscheidung richtig war.
Ich gestehe, ich war erleichtert ….
Ich freue mich über Eure Meinung!