In den 90ern habe ich für eine Frauensendung im Fernsehen einen Film zum Thema „Gleichgeschlechtliche Eltern“ vorgeschlagen. Ich wollte damit zeigen, dass Kinder, die bei homosexuellen Eltern groß werden, deshalb nicht gestört, selbst homosexuell oder irgendwie traumatisiert werden, wie damals noch viele glaubten. Das Thema wurde akzeptiert und der Film wurde beauftragt. Heute gibt es jede Menge Studien zu diesem Thema, damals war das noch ein Tabu.
Es war nicht einfach, Leute zu finden, die bei einem so heiklen Thema mitmachen wollten. Eine Verwandte, deren Geschichte mich auf die Idee zum dem Film gebracht hatte, war dazu bereit. Ihr Mann hatte ihr nach einigen Ehejahren und drei gemeinsamen Kindern eröffnet, dass er schwul sei und künftig mit seinem Partner leben wolle. Sie hat sich damit abgefunden. Sie war auch einverstanden, dass eine ihrer Töchter beim Vater bleiben wollte. Diese Tochter, die zum Zeitpunkt des Drehs erwachsen war und selbst Kinder hatte, hat dann vor der Kamera erzählt, dass es für sie ganz normal war, mit zwei Vätern aufzuwachsen, dass auch in der Schule niemand daran Anstoß genommen hatte und dass sie nicht das Gefühl habe, dass sie durch ihre Kindheit in irgendeiner Form Schaden genommen hatte.
Ich habe dann auch ein lesbisches Paar gefunden, das bereit war, offen über seine Geschichte zu reden. Ich nenne die beiden hier Nina und Conny. Conny hatte bereits einen Sohn aus einer früheren Beziehung, der bei ihr und ihrer Partnerin aufwuchs. Als ich den Film gemacht habe, war er etwa 12, und auch er hatte keinerlei Probleme mit der damals noch eher ungewöhnlichen Familienkonstellation.
Nina, die schon immer den Wunsch nach einem eigenen Kind gehabt hatte, war zum Zeitpunkt der Filmaufnahmen hochschwanger. Ein gemeinsamer Freund hatte sich bereit gefunden, den beiden Frauen mit einer Samenspende zu helfen.
„Wenn es die zwei glücklich macht, warum nicht?“
Conny befruchtete ihre Freundin zum geeigneten Zeitpunkt und Nina wurde schwanger. Ein Gynäkologe, der auf Kinderwunsch spezialisiert war, hat für den Film an einem Modell vorgeführt, wie eine solche künstliche Befruchtung funktioniert.
Conny und Nina waren sehr glücklich, bald gemeinsam Eltern zu werden. Ihre jeweiligen Familien, die ich bei einem gemeinsamen Essen kennenlernen konnte, hatten keinerlei Problem mit der Situation, im Gegenteil. Alle haben sich auf das Baby gefreut.
Wir haben damals auch Passanten auf dem Berliner Alexanderplatz befragt, zusammen mit den beiden Frauen. Die Leute haben durchweg recht locker reagiert, Grundtenor war: Wenn es die zwei glücklich macht, warum nicht?
Bald nach den Dreharbeiten wurde ein Töchterchen geboren. Conny hätte das Kind gern adoptiert, aber das war damals genauso unmöglich wie bis vor kurzem.
Ich war noch lange in Kontakt mit den beiden Frauen. Nach Jahren erfuhr ich, dass die Beziehung in die Brüche gegangen war. Die Tochter blieb bei ihrer leiblichen Mutter, die „Co-Mutter“ war todunglücklich über den Verlust des Kindes.
Mein Film wurde nie gesendet.
Er wurde am Tag der vorgesehenen Ausstrahlung vom Fernsehdirektor persönlich aus dem Programm genommen. Begründung: der Beitrag würde die homosexuelle Elternschaft zu positiv zeigen, vor allem die Szene mit dem Frauenarzt würde den Eindruck erwecken, dass Männer zum Kinderkriegen nicht mehr gebraucht würden. Kein Kommentar!
Eine Woche später berichtete der Spiegel in einem süffisanten Artikel über die Geschichte. Der Sender kam dabei nicht gut weg. Woher der Spiegel die Informationen hatte, ist nicht bekannt. Von mir jedenfalls nicht, aber es wussten ja genug Leute darüber Bescheid.
So war das noch vor nicht einmal 20 Jahren.
Was damals ein Skandal sein konnte, wäre heute keiner mehr. Die Medien sind voll zu diesem Thema. Jetzt gibt es die Ehe für alle, voraussichtlich ab 1. Oktober können schwule und lesbische Paare rechtmäßig heiraten und dann auch gemeinsam Kinder adoptieren. Wie das schon länger in vielen anderen Ländern Europas möglich ist.
Ein Film wie meiner damals wäre heute zum Glück nicht mehr nötig.
Ich freue mich über Eure Meinung!