Unsere aktuelle Wohnungssuche hat sich als hervorragender Motivator für eine längst überfällige Ausmistaktion erwiesen. Klar war mir schon lang, dass all der Krempel, der sich in den letzten fast 30 Jahren in unserer jetzigen Wohnung angesammelt hat, unbedingt mal ausgelichtet werden muss. Aber wie das so ist mit solchen Erkenntnissen – man weiß, man sollte, aber man tut nicht.
Jetzt aber gibt es keine Ausrede mehr. Noch ist keine konkrete Wohnung in Sicht, aber es könnte ja sein, dass sich das Richtige plötzlich ergibt. Und dann ist soviel Anderes zu tun, dass zum Ausmisten eigentlich keine Zeit mehr bleibt.
Wir haben uns schon einige interessante Objekte angesehen, aber jedes Mal, wenn ich im Geiste versucht habe, unser Hab und Gut dort unterzubringen, ist mir ganz schlecht geworden. Panik hat mich ergriffen bei der Erkenntnis, dass all das, was hier in Ecken und Nischen, in Schubladen und Schränken und Regalen ruht, niemals in eine neue Wohnung passen wird, die ja sinnvollerweise nicht größer, sondern eher kleiner als die aktuelle sein sollte.
Nach einer Zeit der Schockstarre, in der ich regelrecht den Kopf in den Sand gesteckt habe, weil mir der Umzug mit all dem Kram überhaupt nicht machbar erschien, habe ich angefangen, gezielt hinzuschauen. Und zwar erst mal in die Bücherregale und in die Kleiderschränke, weil in diesen Bereichen der emotionale Anteil eher gering ist.
Ich habe also erst einmal ein paar Bücher aus dem Regal gezogen, die ich mit Sicherheit nie mehr lesen oder anschauen werde, und hab sie auf einen Stapel gelegt. Anhand der ISBN-Nummern hab ich in einem Online-Portal für gebrauchte Bücher namens Momox ›› überprüft, ob sich ein Verkauf lohnen würde. Bei den meisten war das nicht der Fall. Die, die mehr als ein paar Cent bringen würden, hab ich zusammengepackt und zur Post gebracht. Die anderen hab ich weggeworfen oder zu Oxfam ›› getragen. Jedesmal, wenn ich eine solche Fuhre abgeladen hatte, fühlte ich mich ausgesprochen erleichtert, ihm wahren Sinn des Wortes. Im Regal taten sich nach und nach Lücken auf, die ich mit den Büchern aufgefüllt habe, die bisher in der zweiten Reihe standen.
Genauso habe ich es mit meinen Kleidern gemacht. Erst mal rausgelegt, was ich nur ganz selten oder überhaupt nicht mehr getragen habe. Dann ein paar Tage liegen gelassen, sozusagen als Bedenkzeit. Das eine oder andere Stück habe ich in dieser Zeit in den Schrank zurückgehängt, den Rest habe ich ebenfalls bei Oxfam abgegeben oder in den Kleidercontainer gesteckt.
Und bisher habe ich noch kein einziges Mal ein Verlust- oder Mangelgefühl empfunden – im Gegenteil! Der Druck, die ungeliebten Stücke doch endlich mal zu tragen, ist weg. Und weil die Leute bei Oxfam sich immer so überschwänglich bedanken, hat sich stattdessen das schöne Gefühl eingestellt, etwas Gutes getan zu haben.
Dieses schöne Gefühl hat dafür gesorgt, dass ich inzwischen mit offenen Augen durch unsere Wohnung gehe und mich auch bei anderen Gegenständen – Vasen, Geschirr, Küchengeräte etc. etc. – zu fragen: brauch ich das noch? Hab ich das je benutzt, und wenn ja, wie oft? Gefällt es mir noch, verbinden sich damit schöne Erinnerungen, ist es das Geschenk eines lieben Menschen?
Wenn ich solche Fragen mit Nein beantworten kann, fällt es mir inzwischen ausgesprochen leicht, all diese Dinge in eine Kiste zu packen und nach und nach zu entsorgen.
Langsam aber doch spürbar schrumpfen die Berge von angesammeltem Zeug. Geschätzt kann noch gut die Hälfte der Dinge, die immer noch hier herumliegen, -hängen und -stehen, verschwinden, ohne dass man sie vermissen wird.
Mit dem guten Gefühl, dass es nicht nur nicht schwer, sondern geradezu eine große Erleichterung ist, sich von unnötigem Besitz zu trennen, gestaltet sich die Wohnungssuche entspannter. Auch der Umzug wird leichter, schneller und nicht zuletzt auch billiger sein und – ein ganz wichtiger Aspekt – unsere Kinder werden es uns danken, wenn sie sich dereinst um unseren Nachlass kümmern müssen.
Esra schreibt
Toller Beitrag Ulrike!
Ulrike schreibt
😉
Anne schreibt
Schau mal, Ulrike, die SZ schreibt von dir ab: https://sz-magazin.sueddeutsche.de/senior-editor-die-oma-kolumne/brauche-ich-das-noch-85606!! Dieser Beitrag ist am 24.4. erschienen, also zwei Wochen nach deinem!
Ulrike schreibt
Na sowas! Das ist doch echt – nett!